Tag 6 – Quer durch das tschechische Hügelland I – Kinderfest in Vlkonice

Samstag, 11.07.2015 – Prag bis Vlkonice (77 km)

Am Morgen geht es los, wie erwartet aber nicht ohne Zwischenfälle. Der Hotelbesitzer verlangt beim Checkout ganz willkürlich 8 €, für das Abstellen der Fahrräder. Wir kommen uns ein wenig verarscht vor, weil davon vorher nicht die Rede war. Zum Glück wissen wir uns zu helfen und übergeben ihm unseren Zimmerschlüssel zur Kontrolle. Er geht hoch auf das Zimmer.

Da nutzen die Gunst der Stunde und fahren einfach los. Das war auch eine kleine Rache für den schlechten Umtauschkurs, durch dem wir beim Check-in etwa 5 € zu viel bezahlt hatten. So ist es dann doch irgendwie fair.

Der Fahrradweg in Tschechien…

Nun stehen wir vor dem Problem den Prag-Wien Greenway zu finden. Nach etwa drei Stunden quer durch den grünen Gürtel von Prag, haben wir ihn endlich gefunden. So geht es motiviert weiter, bis wir langsam in das tschechische Mittelgebirge kommen. Die Motivation schlägt dort schlagartig um.

Mit jedem weiteren Hügel sinkt die Laune Stück für Stück. So langsam werde ich mir bewusst, dass dies die nächsten 3-4 Tage auch weiterhin so bleiben wird. Dazu kommt, dass der Radweg teilweise schlecht ausgeschildert ist. So stehen wir immer wieder an Kreuzungen, wo wir dann „auswürfeln“ welchen Weg wir nehmen.

Genau das machen wir auch und landen in einem kleinen Dorf namens Vlkonice. Dieses besteht aus nicht einmal 20 Häusern, wie fast jedes Dorf hier. Eigentlich nichts Besonderes, wäre da nicht eine kleine Ansammlung von Menschen auf dem Ortsplatz, die unsere Aufmerksamkeit weckt. Wir fassen den schnellen Entschluss, dass dort wahrscheinlich ein kleines Gasthaus ist und wir uns mit etwas Bier für die heutigen Anstrengungen belohnen sollten.

So betreten wir den kleinen Gasthof und Johannes ruft laut und deutlich „Bier!“. Nachdem die Leute ein wenig verwundert schauen, schenkt uns der Mann am Zapfhahn Bier ein.

Wir versuchen mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.Da sie aber Probleme mit Englisch haben, reagieren sie sehr zurückhaltend. Sie erzählen uns aber, dass es sich hier nicht um ein Gasthaus handelt, sondern das Dorf heute Kinderfest feiert. Das erklärt auch warum viele Erwachsene und Kinder mit Farbe im Gesicht bemalt sind.

Nachdem wir etwa 2 € für das Bier bezahlt haben, füllen wir noch unseren 5 Liter-Wassersack und packen die Sachen zusammen, damit es weitergehen kann. Kurz bevor wie aufbrechen wollen, verwickelt uns dann noch ein älterer Dorfbewohner ins Gespräch.

Genau darauf haben wir gewartet! Erst versuchen wir ihm mit Händen und Füßen zu erklären, was wir vorhaben, später dann mit Englisch. Dabei kommt er sehr schnell an seine Grenzen und ruft deshalb eine Frau herbei, die für ihn übersetzen soll. Mit ihr als Dolmetscherin erzählen wir ihm von der Strecke die noch vor uns liegt. Ganz nebenbei geraten wir so natürlich auch mit der Frau ins Gespräch, die überraschend gut Englisch spricht. Während wir uns dann also noch mit Ihr unterhalten, verschwindet der ältere Mann kurz, nur um kurz darauf mit drei Bierkrügen wiederzukommen.

Das Eis ist gebrochen und als dann auch noch der Sohn der Frau dazu kommt, ist die Unterhaltung in vollem Gange. Wir lernen ganz nebenbei einige tschechische Wörter.

Ganz besonders wichtig ist „Nastrovje“, was so viel wie Prost heißt.

So langsam wird uns bewusst, dass wir heute nicht mehr weit kommen. Jetzt nach dem zweiten Bier, erkundigen wir uns bei den Dorfbewohnern nach einer Übernachtungsmöglichkeit.

Die Dolmetscherin von vorhin meint, sie kann uns etwas organisieren. Während sie dann geht, um die anderen Dorfbewohner zu fragen, bekommen wir von den Kindern den nächsten Bierkrug in die Hand gedrückt. So schnell kommen wir hier wohl nicht weg…

Unsere Dolmetscherin kommt nach kurzer Zeit mit einer jungen Dorfbewohnerin zurück. Sie heißt Ann und würde uns gern in ihrem Garten schlafen lassen. Wir sind wirklich sehr glücklich, über dieses Vertrauen und freuen uns, dass wir uns diese Nacht keine Gedanken um einen Schlafplatz machen müssen.

Johannes bietet uns an, dass er unsere Fahrräder schon mal zu Anns Haus bringt und dort das Zelt aufschlägt. Das ist wirklich sehr nett und auch vernünftig, denn so langsam glaube ich, dass wir den heutigen Abend nicht mehr lange nüchtern verbringen werden.

So verzichtet er auf das dritte Bier und einige Weitere, die folgen sollen...

Jonas und Ich setzen uns derweil zu den Dorfbewohnern an den langen Biertisch und werden weiterhin nicht zu knapp mit alkoholischen Getränken versorgt. So langsam kommen wir auch mit den anderen Leuten ins Gespräch, auch wenn es nur ein gut gelauntes „Nastrovje“ ist.

Es ist jedenfalls eine großartige Erfahrung und einer der schönsten Momente der Fahrradtour. Das zeigt, wie ein wenig Alkohol die anfänglichen Barrieren brechen kann.

Neben viel, sehr viel Bier, gibt es auch Hotdogs (die man hier nicht sieht) und Schnaps

Johannes hat in der Zwischenzeit alle unsere Fahrräder bis zum Garten von Ann gefahren und so müssen wir uns um nichts Sorgen machen. Auch unsere Isomatten und Schlafsäcke hat er dort bereits ausgebreitet. Ein wenig angetrunken finden Jonas und ich dann irgendwie den Weg bis zum Zelt. Jonas legt sich sofort hin und Johannes nutzt die Situation ein wenig aus und macht noch schnell ein Video von mir, bei dem er mich interviewt.

Ich bin wirklich dankbar für die netten und offenen Menschen, die ich an dem Abend getroffen habe und dafür, dass Johannes sich gut um unsere Ausrüstung gekümmert hat. Ich hoffe, dass wir noch mehr Momente, dieser Art auf der Tour erleben werden.

Tag 7 – Quer durch das tschechische Hügelland II

Sonntag, 12.07.2015 – Vlkonice bis Studnice (100 km)

Am Morgen vor Ann‘s Haus. Besonders freuen wir uns auf den Pool, denn nutzen dürfen

Der Tag beginnt direkt mit einer willkommenen Erfrischung. Ann hat uns erlaubt, in ihrem Pool zu baden. Das Wasser ist zwar für mein Empfinden etwas kühl, aber die Möglichkeit lassen wir uns natürlich nicht entgehen. Ganz besonders in Anbetracht dessen, dass es die nächsten vier Tage durch Tschechien gehen soll und wir an wenigen, oder gar keinen Bademöglichkeiten vorbeikommen werden.

Die Kilometer die wir am Vortag nicht mehr geschafft haben, sollen heute abgearbeitet werden. Wir haben zwar keinen genauen Zeitplan, aber zwischen 80 und 120 Kilometer pro Tag sollten wir schon fahren. Und das ist nicht so leicht zu erreichen, wie die Strecke zeigt.

Diese ist von langen Aufstiegen geprägt. Immer wieder überwindet man einen Hügel, nur damit sich die nächste Anhöhe vor einem auftut. Die Mittagssonne scheint außerdem erbarmungslos auf uns herab und so ist jedes Stück eine Qual.

Mittagspause…

Nach etwa 40 Kilometern sind wir dann absolut fertig und halten für eine kurze Pause an einem kleinen Angelteich. Diese kurze Pause sollte dann aber doch ganze zwei Stunden dauern. Da sieht man mal wie erschöpfend Radfahren sein kann.

Den 5 Liter Wassersack müssen wir jetzt auch schon zum dritten Mal auffüllen. Der Nahrungsverbrauch ist ebenso gigantisch.

So wird es also wohl die nächsten Tage weitergehen…

Als Belohnung gibt es diesen Abend sogar Gulasch mit Kartoffelpüree. Im Vergleich zu dem Reis und den Suppen die wir bisher meistens gegessen haben ist das schon der blanke Luxus. Den haben wir uns auch verdient!

Tag 8 – Quer durch das tschechische Hügelland II

Montag, 13.07.2015 – Studnice bis Stálky (110 km)

Der Tag startet besser als erwartet. Durch den nächtlichen Regen hat sich alles ein wenig abgekühlt. Heute wollen wir die angenehmen Morgenstunden zum Radfahren nutzen, bevor es wieder warm wird. Nachdem das Zelt und alle Taschen zusammengepackt und aufgeladen sind wird unsere Euphorie jedoch abrupt gebremst.

Das Rad von Jonas hat einen Platten. Das ist zwar ärgerlich, aber nicht weiter schlimm, da eine Schlauchreparatur noch das geringste Übel ist. Leider finden wir das Loch nicht, sogar nachdem wir den Schlauch in Wasser gehalten haben um zu schauen wo Luftblasen entweichen. Da wir unseren Ersatzschlauch noch nicht einsetzen wollen, pumpen wir Jonas Schlauch einfach zum Test nochmal auf. Es entweicht interessanterweise keine Luft mehr und wir fahren einfach weiter. Niemand hat eine Idee wie sich der Luftverlust über Nacht erklären lässt, aber jetzt geht es ja zum Glück.

Während der Fahrt zeigt sich, dass der Schlauch sehr langsam Luft verliert und so müssen wir ihn noch insgesamt zwei Mal aufpumpen.

Nach etwa 80 Kilometern wird die hügelige Landschaft langsam immer flacher. Wir freuen uns, dass wir vermutlich die letzten Ausläufe der tschechischen Hügellandschaft überwinden. So ist es dann auch und wir zelten etwa 250 Meter entfernt von der österreichischen Grenze an einem kleinen See. Hier ist das wahre Mückenparadies und wir werden extrem zerstochen. Unser Mückenmittel Autan hilft auch nicht viel. Da fragt man sich so manchmal wieso dafür so viel Geld verlangt wird.

So langsam wird es dunkel und eine schwarze Wolkenwand zieht über uns.Johannes und Ich bauen schnell unser Zelt auf während es anfängt zu regnen. Jonas macht derweil im Regen unser Essen. Heute gibt es Spirelli mit Carbonara-Soße, wieder mal eine richtig tolle Mahlzeit. Während es regnet schreibe ich den Tagesbericht und dann geht es direkt ins Bett.

Campen an der Grenze. Mit dem Wald im Hintergrund beginnt das österreichische Gebiet.

Tag 9 – Quer durch das tschechische Hügelland IV

Dienstag, 14.07.2015 – Stálky bis Úvaly (125 km)

Top Fahrradwetter, denken wir uns als wir das Zelt verlassen. Eine leichte Brise weht und es ist noch recht kühl. So können wir das Tagesziel in Angriff nehmen, einen Großteil des Weges bis Wien hinter uns zu bringen.

Am Vortag dachten wir zwar, dass wir die Hügel überwunden haben, aber nach einigen Kilometern konnten wir bereits wieder fleißig bergauf fahren. Wenigstens ist die Aussicht schön und wir fahren entlang der Grenze quer durch die Weinbaugegend. Wir sehen einige schöne Täler, durch die sich Flüsse ziehen. Hier an der südlichen Grenze von Tschechien ist die Natur besonders schön.

Ich weiß zwar nicht, wie diese Burg heißt, aber ein imposanter Anblick ist es auf jeden Fall

Nach einigen Kilometern und einigen Hügeln sehen wir dann bis zum Horizont nur noch ein riesiges Flachland vor uns. Hier bewirtschaften die Bauern ihre Felder und es gibt wenig Zeltplätze. Unsere Reisegeschwindigkeit profitiert jedoch und so fahren wir nach Tagen endlich mal wieder über längere Strecken mit 30 km/h.

Da heute vermutlich unser letzter Tag auf tschechischem Gebiet ist, müssen wir natürlich nochmal Essen gehen. Hier ist es noch schön billig, bevor es dann nach Österreich geht. So gönnen wir uns eine große Entenkeule mit Klößen und Rotkraut, auch ein typisches Gericht hier. All das kostet umgerechnet mit einem Bier 6,5 € pro Person. Geschmacklich war es mindestens doppelt so viel wert.

Auch erwähnenswert ist Mikulov die Stadt in der wir das Festmahl gegessen haben. Sie erinnert ein wenig an Edoras aus Herr der Ringe und ist an einem Hügel gebaut, von dem man das gesamte Umland sehr gut sehen kann. Da man Mikulov schon aus der Ferne gut sieht, gibt die Stadt der sonst eher langweiligen Feldlandschaft ein richtig schönes Gesicht. Hätten wir mehr Zeit gehabt hätte ich mir die Stadt gern genauer angeschaut.

Nun haben wir also gut gegessen, aber ein Campingplatz ist immer noch nicht in Sicht, als wir 19:30 Uhr aus der Stadt herausfahren. Wir fahren über offene Felder und so langsam wird es dunkel.

Wir machen uns Sorgen, ob wir diese Nacht noch einen Schlafplatz finden bevor es stockdunkel ist. Ein wenig verzweifelt fragen wir sogar einen Bauern der gerade auf seinem Gehöft ist, ob wir dort übernachten können. Er sagt uns, dass er uns leider nicht übernachten lassen will und so müssen wir weitersuchen.

Nach etwa 20 Kilometern finden wir dann endlich, bei absoluter Dunkelheit einen kleinen Weg kurz vor Valtice, der auf einen bewaldeten Hügel hinaufführt. Hier ist eine Art Park und wir wollen dort unser Zelt aufbauen. Oben angekommen sehen wir, was wir eigentlich nicht erwartet hätten, ein riesiges Bauwerk, eine Art Denkmal. Es stellt sich heraus, dass dieses Bauwerk, die Letohrádek Kolonáda (deutsch: Kolonnade Reistna), ein wohlhabender Sohn seiner Familie als Andenken gewidmet hat. Es erinnert vom Stil her an die napoleonischen Triumphbögen.

Letzte Sonnenstrahlen fallen auf das schöne Mikulov. Ein Zeltplatz ist noch nicht in Sicht.

Da wir froh sind, dass wir hinten im Park relativ gut Schutz hinter den Bäumen finden schlagen wir das Zelt einfach hier auf. Nach diesem anstrengenden Tag können wir sehr gut einschlafen während Rehe an unserem Zelt vorbeilaufen.

Randbemerkungen zur Hygiene auf der Fahrradtour

Am 4. Tag zeigt sich langsam, dass die Hygiene auf so einer Tour ein großes Problem sein kann. Hier dazu mal ein paar Notizen:

  • Ich hätte nie gedacht, dass T-Shirts nach 4 Tagen Radfahren so starke Salzspuren aufweisen.

  • Ein Salzfilm zieht sich auch über den gesamten Körper, der einfach nicht mehr sauber werden will.

  • Von den 4 T-Shirts die ich mitgenommen habe sind drei entweder mit Schweiß, oder Kofola-Flecken oder beiden so bedreckt, dass man sich damit nicht mehr in der Stadt sehen lassen kann

  • Täglich zweimal Zähne putzen ist jedoch noch möglich

  • Da man den eigenen Geruch jedoch nach einigen Tagen gut ignorieren kann, macht einem all das auch nichts mehr aus.

Traurig aber wahr…

Tag 10 – Der kleine Luxus

Mittwoch, 15.07.2015 –Úvaly bis Unterolberndorf (70 km)

Kaum wach geworden, beeilen wir uns damit schnell das Zelt abzubauen. Wie wir vermutet haben, waren bereits jetzt am Morgen schon einige Touristen an der Kolonnade. Von denen hat uns aber keiner sehen können, weil wir uns tief im Park versteckt hatten.

Sicherheitshalber gönnen wir uns das Frühstück aber nicht hier, sondern erst an der nächsten Bank. Die österreichische Grenze liegt etwa 2 Minuten vor uns aber wir müssen nochmal nach Valtice zurückfahren um die letzten tschechischen Kronen für Brot und Tütensuppen auszugeben. Hier wird kein Cent verschwendet!

Die Kolonnade Reistna am nächsten Morgen.

Mit der Überquerung der österreichischen Grenze ist wieder ein neuer Abschnitt geschafft und die Glücksgefühle durchströmen einen. Es ist ein tolles Gefühl, sich wieder problemlos auf Deutsch verständigen zu können.

Da wir sehr viel Zeit haben und nicht mehr viele Kilometer bis Wien vor uns liegen, überlegen wir uns das nächste Freibad aufzusuchen. In einem kleinen Dorf finden wir es dann auch. Es besteht zwar nur aus einem kleinen Becken, aber das reicht um mal wieder baden zu gehen und etwas zu entspannen.

Johannes und Ich bemerken, dass Jonas vor 2 Tagen Geburtstag hatte und spendieren ihm noch ein Bier. Neben der Wiederherstellung der Hygiene, ist also der Besuch im Freibad auch eine schöne Entspannung.

Damit der Tag aber nicht zu schön ist, muss natürlich noch eine kleine Panne passieren. So fällt mir beim Verlassen des Schwimmbades auf, dass sich eine Speiche am Hinterrad gelockert hat und es wieder ein wenig eiert. Ich ziehe die Speiche wieder etwas fest und hoffe, dass das Rad wieder gut läuft. Während der Fahrt beobachte ich die Speiche und sie scheint tatsächlich zu halten und das Rad eiert auch nicht mehr.

Hoffentlich hält sie den Rest der Strecke…

Irgendwo etwa 30 Kilometer vor Wien campen wir, gut versteckt 10 Meter neben einer Bahnschiene. Wir freuen uns trotz der Erfrischung heute schon wieder alle auf den Zeltplatz, den wir uns morgen gönnen. So eine richtige Dusche ist bei so hohen Temperaturen von bis zu 40°C wirklich Gold wert.

Damit es nicht langweilig wird gibt’s zum Abendbrot auch mal Nudeln.

erstellt von Martin am 2. August 2016

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