Radreise 2015 - Teil 6 - Baden in Venedig?

Der Reisebericht meines ersten größeren Abenteuers. Nach dem Abitur schwingen wir uns zu dritt auf unsere Fahrräder und fahren von Leipzig nach Venedig. Der Weg dorthin soll nicht, wie klassischerweise über die Alpen verlaufen. Stattdessen umgehen wir die Höhenmeter und umfahren das Gebirge östlich. Unsere Tour führt uns an vielen Hauptstädten Osteuropas entlang und beschert und viele interessante Begegnungen mit Einheimischen.

Reisebericht Radreise 2015 Fahrrad

Tag 32 – Die Stadt erwacht aus ihrem Schlaf

Donnerstag, 6.08.2015 – Venedig

Wie am Tag vorher abgemacht, geht es heute sehr zeitig raus. Genauer gesagt, stehen wir schon 4:30 Uhr auf und nehmen 5:30 den Bus nach Venedig. Am Horizont zeichnet sich so langsam die Blaue Stunde ab und man merkt, dass es bald hell wird.

Um dieses Reisetagebuch nicht so stark mit Schwärmereien von der Stadt zu füllen, halte ich mich damit kurz. Es lohnt sich jedenfalls absolut so früh zu kommen. Wir konnten erleben, wie die Sonne am Horizont aufgeht und Venedig so langsam erwacht. Besonders faszinierend ist es, dass hier bis etwa sieben Uhr kaum ein Mensch auf den Straßen zu sehen ist. Die Kanäle sind idyllisch ruhig und die Gassen, durch die später stündlich mehrere tausend Touristen gehen, sind komplett leer.

Die Touristen sind übrigens ein großes Dilemma für die Stadt. Einerseits bringen sie Geld in die Stadt, was natürlich die Wirtschaft ankurbelt. Andererseits, leiden die historischen Gebäude unter dem Touristenstrom. Viele Brücken sind am Rande der Baufälligkeit und es gibt kaum Zeit zur Sanierung. Mehrere tausend Touristen strömen nämlich täglich durch die Stadt.

Zur aktuellen Stunde kümmern sich aber nur die Müllmänner um die Abfallentsorgung, denn Müll gibt es in Venedig eine Menge. Dieser wird auf kleine extra dafür vorgesehene Transportschiffchen gebracht und dann Richtung Festland gefahren.

Bereits gegen acht Uhr haben wir alle Sehenswürdigkeiten besichtigt, darunter Markusplatz, diverse Kirchen und den großen Kanal mit der Rialtobrücke.

Nach einer vorgezogenen Mittagspause gibt es dann schon ein Eis, bei McDonalds selbstverständlich und wir verbringen die nächsten Stunden noch damit, auch den Teil von Venedig zu inspizieren, wo es Touristen eher seltener hinlockt, nämlich in das östliche Wohnviertel. Damit haben wir also gegen zwölf Uhr schon fast alles gesehen, nun ja, aber auch nur fast alles.

Richtig klischeemäßig machen wir noch eine kurze Gondelfahrt über den Kanal. Man könnte auch eine Gondel für eine halbe Stunde mieten, mitsamt Gondoliere, aber das kann man sich nun wirklich nicht leisten.

Wir entscheiden uns also dafür, dass Geld heute Abend lieber bei einer Pizzeria zu lassen.

Gegen 14 Uhr fahren wir zurück zum Campingplatz und entspannen noch ein wenig. Ich geh ausgiebig duschen und schreibe danach weiter am Reisebericht.

Im Prinzip sind wir jetzt schon an unserem Ziel angekommen und es ist ein komisches Gefühl morgen Manuel und Christian hier zu verabschieden, selber aber noch weitere drei Tage zu bleiben. Wir nutzen deshalb also auch die Zeit und überlegen, was wir dann machen können. Zwischen der Idee, die letzten Tage einfach am Strand zu verbringen, oder aber noch andere Städte, wie beispielsweise Verona zu besuchen, entscheiden wir uns für das Erstere.

Nachdem wir uns lange genug ausgeruht habe, denn viel Spazieren kann tatsächlich manchmal anstrengender sein, als den ganzen Tag Fahrrad zu fahren, geht es zur Pizza.

Natürlich steht bei der Pizzeria wieder Abwechslung an der Tagesordnung. So gibt es heute bei mir eine vier Jahreszeiten Pizza, mit Schinken, Pilzen, Artischocken und Salami. Und tatsächlich ist die Pizza heute die beste, die wir bisher in Italien gegessen haben, auch wenn das kleine Restaurant erst nicht danach aussieht.

Den Abend lassen wir noch entspannt ausklingen und gehen früh ins Bett um am nächsten Morgen wieder fit zu sein.

Noch eine kleine Randnotiz: Bis hierher sind wir etwa 1820 Kilometer gefahren.

Tag 33 – Da waren es nur noch drei

Freitag, 7.08.2015 – Mestre (bei Venedig) bis Caposile (86 km)

Heute ist also der Tag, an dem sich unsere Gruppe aufspaltet. Etwa gegen 13 Uhr fährt für Manuel und Christian der Zug, von Venedig zurück nach Leipzig. Wir bauen, mittlerweile übrigens sehr routiniert, das Zelt ab und packen alles zusammen.

Dabei kommt es ganz unerwartet zu einem kleinen Missgeschick. Jonas hat nach dem Duschen sein Handy nicht mehr gefunden. Wir haben die Befürchtung, dass es geklaut wurde und suchen alle danach. Zu allem Übel sind auf dem Handy auch alle Karten und damit hätten wir auch unser Navigationsgerät verloren. So soll es aber zum Glück nicht kommen, und eine Stunde später finden wir Jonas Telefon an der Rezeption wieder, wo wir gleich die Gelegenheit nutzen um dort unsere Handys zu laden.

Gegen 11:40 Uhr geht es dann los nach Venedig. Wie wir während der Reise schon oft erleben durften, kommt meist ein Unglück nicht allein und so ist es auch diesmal.

Auf der Schnellstraße nach Venedig kommt Johannes mit seinem Fahrrad zu weit nach rechts und bleibt an der Leitplanke hängen. Er verliert die Balance und fällt hin, es sieht sogar sehr schmerzhaft aus. Ich bin direkt hinter ihm und fahr ein wenig nach links, damit wir die Spur blockieren und uns nicht noch ein Auto überfährt.

Glücklicherweise hat Johannes es irgendwie geschafft, sich so abzurollen, dass er sich nicht verletzt hat und so kann er direkt aufsteigen und wir fahren weiter. Wir sind wirklich froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist und so können wir unsere Tour einfach fortsetzen.

Besonders nach dem Vorfall habe ich schon ein wenig Respekt vor dem Verkehr hier, um nicht gar von Angst zu reden. Besonders jetzt um die Uhrzeit fahren extrem viele Autos und sogar LKWs entlang der Strecke nach Venedig. Es ist wirklich nicht gerade sicher hier mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, besonders, weil der Radweg nur teilweise ausgebaut ist und wir das letzte Stück auf die Straße ausweichen müssen.

Irgendwie sind wir jedoch heil am Bahnhof angekommen und können Manuel und Christian verabschieden. Ab jetzt sind wir wieder so unterwegs, wie wir die Tour angefangen haben, zu dritt, mit nur einem Zelt.

Ein wenig leidet glaube ich die Stimmung darunter, dass wir nicht auch schon nach Leipzig gefahren sind. Man fühlt sich irgendwie etwas ziellos, so ein wenig wie wenn man stehengelassen und nicht abgeholt wird. Zumindest ist die allgemeine Stimmung ein wenig trübselig und ruhig.

Vielleicht liegt es auch an der Strecke, denn der Weg nach Jesolo ist schnurgerade und nicht wirklich abwechslungsreich. Zusätzlich wird man währenddessen noch die ganze Zeit von Autos, teilweise sogar sehr riskant überholt. Ich finde das Gefühl wirklich schrecklich, wenn man nicht weiß, ob das nächste Fahrzeug, dass an einem vorbeizieht vorsichtig genug ist. Im Nachhinein würde ich in solcher Situation vielleicht eine kleine Fahne an meinem Rad anbringen, als Abstandhalter.

Wir kommen etwa 18:00 in Jesolo an, wo wir nach einem traditionellen Milchshake noch an den Strand gehen. Viel Zeit zur Erholung und zum Baden bleibt uns natürlich nicht, denn die Tage werden langsam wieder kürzer und es wird auch schon allmählich dunkel. Deshalb suchen wir uns kurz eine Stelle um Abendbrot zu machen und fahren dann in Richtung Venedig, wieder entlang der schnurgeraden trostlosen Landstraße.

Genauso trostlos wie die Strecke, ist auch die Landschaft, denn nirgendwo finden wir einen sinnvollen Platz zum Zelten. Es gibt kaum sinnvolle Stellen an Feldern und auch sonst kaum Bäume als Deckung. Mittlerweile ist es schon stockdunkel. Da einen irgendwann auch die Beine nicht mehr weitertragen und wir alle eigentlich nur noch schlafen wollen, entscheiden wir uns notdürftig für einen sehr unschönen Platz.

Unweit von Caposile neben der Schnellstraße schlagen wir unser Zelt an einem Feldweg auf. Von der einen Seite deckt uns eine Ansammlung von Bäumen, von der anderen Seite gar nichts. Zusätzlich ist ein kleiner Wassergraben direkt neben unserem Zelt und so werden wir schon beim Aufbauen von Mücken zerstört.

Im Nachhinein finde ich es schon beachtlich, wie wir es geschafft haben, in kürzester Zeit das Zelt in kompletter Dunkelheit aufzubauen. Das hat uns aber an diesem Abend nicht mehr fasziniert und wir waren eher demotiviert, weil die Suche nach dem Zeltplatz nicht so gut verlief und wir im Hinterkopf wussten, dass unsere anderen beiden Freunde heute noch zu Hause in einem bequemen Bett schlafen dürfen, wir uns aber noch mit Mücken abquälen müssen.

Todmüde und schlapp legen wir uns schlafen.

Tag 34 – Sand, Sonne und … Volleyball

Samstag, 8.08.2015 – Caposile bis Jesolo bis Caposile (45 km)

Früh werden wir liebevoll, von der kochenden Hitze geweckt. Es ist gerade einmal 7:40 und die Temperaturen sind bereits unerträglich. Das ist natürlich nicht wirklich verwunderlich, denn bereits seit Tagen scheint die Sonne gnadenlos. Von Wolken war leider nie eine Spur.

So lässt sich abschließend sagen das der Ort hier der wohl schlimmste Schlafplatz bisher gewesen ist.Der Fairness halber muss man sagen, dass dies nicht allein den Temperaturen geschuldet ist, sondern auch den vielen Unebenheiten auf denen wir in dieser Nacht liegen.

Wir klettern also aus dem Zelt und entschließen uns dazu es noch kurz stehen zu lassen, denn irgendwie ist es noch recht nass hier drinnen. Nebenbei gibt es Schoko-Crisps und Milch zum Frühstück, wie immer extrem „nahrhaft“. So richtig genießen können wir sie aber nicht, denn plötzlich hören wir Stimmen aus der Ferne. Wir versuchen sie zu orten und es scheint, als ob sie aus Richtung des Waldes auf uns zu kommen. Wir überlegen natürlich nicht lange und packen so schnell es geht unsere Sachen zusammen. Das geht in der Tat extrem schnell, aber ebenso schnell nähern sich auch die Stimmen.

Wir verstehen zwar nicht was sie sagen, aber es klingt nach mindestens zwei Leuten, die sich sehr angeregt unterhalten. Schon irgendwie komisch, denn so wirklich viel Sinn macht es nicht, dass hier am Waldrand, wo noch nicht mal ein Weg entlang führt Leute unterwegs sind.

Wurden wir vielleicht entdeckt? Oder sind es vielleicht auch andere „Wildcamper-Kollegen“?

Unser Zelt ist schon abgebaut und wir bepacken bereits wieder unsere Fahrräder. Noch gefühlt 20 Meter Entfernung bis zu den Stimmen. Sehen können wir sie nicht, weil sie noch auf der anderen Seite der Hecke sind, die uns trennt.

Endlich mein Rad ist fertig gepackt. Moment mal, ich werfe einen Blick in die Landschaft und mache eine seltsame Entdeckung. So sehr abgeschieden wie wir dachten ist unser Platz gar nicht. Eine große Mauer steht etwa 50 Meter entfernt von uns am Waldrand. In der Nacht hatten wir sie gar nicht entdeckt.

Was kann das denn sein? Sie ist etwa 12 Meter groß und es sieht so aus, als ob sie noch gar nicht so lange steht. Das würde auch die Leute hier erklären, wahrscheinlich inspizieren sie die Mauer.

Naja egal, wir fahren zumindest los nachdem alles gepackt ist und genau in diesem Moment sehen wir die beiden Italiener, kurz vor uns aus dem Wald kommen. Ja es sind in der Tat nur zwei Leute, die uns im Übrigen etwas komisch anschauen. Wir fahren an ihnen vorbei und fragen sie noch, wo es nach Jesolo geht, um den Anschein zu erwecken, wir hätten uns verfahren. Natürlich völlig sinnlos, denn hier befindet sich nicht mal ein richtiger Weg. Nun ja, sie zeigen uns nett die Richtung, wir bedanken uns und fahren wieder auf die Landstraße.

Beim Vorbeifahren erkennen wir auch den Sinn der Mauer. Es ist tatsächlich die Schutzmauer eines Schießplatzes.

Wow, da haben wir also die Nacht geschlafen….

In Jesolo angekommen machen wir das, was wir auch am Tag zuvor schon gemacht haben. Wir steuern direkt den Strand an und breiten wieder einmal unsere Handtücher aus. Wie immer werfe ich natürlich einen Blick über die Volleyballfelder und siehe da, dort spielen tatsächlich einige Einheimische. Das ist meine Chance!

Gemeinsam mit Jonas geht es zu den Volleyballern und gleich darauf folgt auch schon das Match. Im 2vs2, also in klassischer Beach-Konstellation stellen wir uns der Herausforderung. Jonas, ohne viel Spielerfahrung und ich, ebenfalls aus der Form haben natürlich keine richtige Chance. Wir schlagen uns jedoch mit einem 8:21 gar nicht so schlecht wie gedacht. Die Italiener haben uns auch erzählt, dass sie aktive Vereinsspieler sind, also ist das Ergebnis keine Schmach.

So langsam wird es Mittag und wie mittlerweile üblich gehen wir zur Pizzeria unseres Vertrauens und bestellen uns eine Pizza Funghi (Pilze). Leider haben wir dabei vergessen, dass sie es hier mit den Bezeichnungen der Pizza sehr ernst nehmen. So fehlt leider der Schinken auf unserer Pizza, denn den gibt es nur in Verbindung mit Pilzen, wenn man eine Prosciutto-Funghi bestellt.

Es folgt eine ausführliche Mittagspause im Park, die ich damit verbringe verschiedene Figuren aus Holz zu schnitzen. Anschließend geht es wieder zurück zum Strand.

Ich kann es kaum glauben. Wieder sind die Volleyballfelder besetzt und ich nutze erneut meine Chance.

Diesmal spiele ich inmitten von Italienern ein 3vs3 und wir schlagen uns ganz gut. Mit einem 29:27 unterliegen wir zwar knapp, aber es ist trotzdem wieder mal ein tolles Gefühl Volleyball zu spielen. Wenn ich wieder zurück in Leipzig bin, steht auf jeden Fall wieder hartes Training auf dem Plan, damit ich wieder in Form komme.

Nach einem Milkshake bei McDonalds, der wie immer nicht fehlen darf, geht es so langsam wieder auf die Suche nach einem Camping-Platz. So spät wie gestern soll es nicht werden, denn die Suche kann sich wie wir jetzt gemerkt haben als sehr umständlich erweisen.

Wir entscheiden uns dazu wieder den Platz von gestern anzusteuern. Diesmal wollen wir jedoch nicht am Feldrand, sondern mitten im Wald campieren. Der Platz dort ist gleich wesentlich schöner. Es gibt viel weniger Mücken, die große Mauer schützt uns und insgesamt fühlen wir uns hier sehr sicher.

Die Wahrscheinlichkeit, dass am nächsten Tag nochmal die beiden Italiener, von heute Morgen vorbei kommen ist auch sehr gering. Es gibt noch Abendbrot und wir genießen noch entspannt den Abend. Diesmal haben wir sogar wieder eine tolle Sicht auf die Alpen. Ich hätte nicht gedacht, dass man diese von hier aus noch sehen kann, denn die letzten Tage hatten wir nicht das Glück, trotz klarem Wetter.

Unser Schlafplatz. Diesmal direkt hinter der Mauer im Schutz der Bäume.

Tag 35 – Der letzte (ganze) Tag in Italien

Sonntag, 9.08.2015 – Caposile bis Mestre (55 km)

Der nächste Morgen und wieder extreme Hitze im Zelt…

So langsam wünsche ich mir wieder etwas Regen oder zumindest ein paar Wolken. Es ist nicht nur so, dass die Temperaturen auf Dauer nervig sind, nein, sie schlagen sogar richtig aufs Gemüt. Unsere Motivation hat nach den letzten Tagen einen neuen Tiefpunkt erreicht. Man kommt sich irgendwie ein wenig unnütz vor, weil man eigentlich nur auf den Zug nach Hause wartet.

Ausgerechnet die letzten Tage unserer Tour sind so am anstrengendsten. Man merkt uns das allen natürlich auch noch ziemlich an. Wir reden viel weniger miteinander und Johannes und ich streiten uns wegen irgendwelchen sinnlosen Kleinigkeiten. Naja, hoffentlich geht das noch gut…

Nach dem Frühstück geht es wieder in Richtung Jesolo. Heute steht neben dem mittlerweile alltäglichen Besuch am Strand, auch der Großeinkauf für die letzten beiden Tage an.

Morgen gegen 17:30 Uhr steht nämlich die Heimreise auf dem Plan und da erwartet uns eine sehr lange Zugfahrt. Auf Bequemlichkeiten müssen wir voraussichtlich verzichten, denn in dem Nachtzug haben wir nur ein Sitzabteil. Für diesen Fall haben wir aber vorgesorgt und uns eine Flasche Wein gekauft. Alkohol macht ja bekanntlich müde und soll uns beim Einschlafen helfen. Ich bin auf jeden Fall auf den morgigen Tag gespannt.

Am Strand angekommen, bin ich überrascht, dass wieder Volleyballer auf den Feldern sind. So richtig zum Mitspielen motivieren kann ich mich aber nicht und so liegen wir einfach am Strand rum, gehen Baden und bräunen uns.

Wie immer wird auch heute die Hitze gegen 11:30 Uhr unerträglich und wir entschließen uns dazu die Mittagspause etwas vorzuverlegen. Es geht wieder zu McDonalds. So langsam kann man fast meinen diese Reise wird von der goldenen Möwe aus der USA gesponsert. Keine Sorge, so ist es natürlich nicht.

Eine kleine Pause und geht es weiter in Richtung Venedig. Wir wollen möglichst nah an der Stadt einen Platz zum Schlafen finden, damit wir am nächsten Morgen nicht mehr so weit fahren müssen.

Nach dem Abendbrot 17:30 und noch einem italienischen Eis auf dem Weg, haben wir eine interessante Stelle gefunden. Neben einer wegen Holzfällarbeiten abgesperrten Straße findet sich ein optimaler Platz. Einerseits ist heute Sonntag und wir werden diese Nacht sicherlich nicht von Arbeitern geweckt. Andererseits gibt es eine schöne Nische zwischen dem Maisfeld am Wegesrand und den Bäumen an der Straße, wo wunderbar das Zelt hineinpasst.

Beim Aufbauen des Zeltes kommt es dann zu dem, was sich schon den Tag über angedeutet hat. Johannes, den die Hitze im Zelt weitaus mehr stört, als die „Gefahr“ von den Mücken zerstochen zu werden, schlägt vor, dass Innenzelt auszubauen und unter dem Außenzelt zu schlafen. Ich habe fast schon panische Angst vor den Biestern und bin mit dem Vorschlag natürlich überhaupt nicht einverstanden.

Da sich bei uns die letzten Tage etwas angestaut hat, kommt es durch diese kleine Diskrepanz zu einem richtigen Streit. Wir werfen uns sinnlose Beschimpfungen gegen den Kopf und lassen alles raus, was sich so angestaut hat. Kurzzeitig habe ich wirklich das mulmige Gefühl, dass unser Abenteuer unter diesem sinnlosen Vorfall leidet.

Nachdem wir uns ausgesprochen haben, schaffen wir es uns langsam wieder zu beruhigen. Dabei realisieren wir auch, wie sinnlos eigentlich die Diskussion war, und dass wir eigentlich keine großen Probleme miteinander haben.

Ein Glück ist es, dass Jonas seinen ruhigen Kopf bewahrt und sich aus der Sache raushält. Das verdient wirklich Respekt und ich kann nicht behaupten, dass ich genauso reagiert hätte.

Diese Nacht lassen wir das Innenzelt dann doch drinnen, spielen noch eine Runde Knack und ein anderes witziges Kartenspiel, das den Namen „Arschloch“ trägt. Beides hatten wir übrigens auch sehr oft gespielt, als noch Christian und Manuel dabei waren.

Tag 36 – Das Ende der Reise

Montag, 10.08.2015 – Mestre bis Venedig bis Österreich (30 km)

Es ist Montag, das Wochenende ist vorbei und so müssen wir heute auch früh aus dem Zelt, denn jeden Moment können die Holzfäller kommen. Die würden sich mit Sicherheit nicht freuen, wenn sie sehen, dass nebenan drei Leute gemütlich neben ihrem Zelt frühstücken.

Aber genau das machen wir und genießen neben einer Kirche in der Nähe unser morgendliches Brot. Währenddessen steht unser Zelt noch genauso da, wie wir es verlassen haben, denn es muss noch etwas trocknen. Da erst heute spätnachmittag unser Zug kommt, lassen wir uns viel Zeit mit dem Frühstück. Genaugenommen lassen wir uns so viel Zeit, bis wir sehen wie einige Männer die Sperren von der Straße schleppen, damit sie mit ihrem Transporter durchkommen.

Das müssen wohl die Holzfäller sein! Wir gehen also entspannt zum Zelt zurück, was noch immer nicht ganz trocken ist, bauen es schnell ab und verschwinden.

Weit kommen wir dabei aber nicht, denn bereits im kleinen Park in Mestre halten wir erneut an, um unser Zelt komplett trocknen zu lassen. Dort fangen wir uns verwunderte Blicke der Passanten ein, durchaus verständlich, denn wie oft sieht man schon drei Jugendliche, die ihr Zelt im Stadtpark aufbauen während sie nebenbei Karten spielen und so aussehen als sei es für sie das natürlichste der Welt, Zelte in öffentlichen Parks aufzuschlagen. Ganz nebenbei machen wir uns auch noch Nudeln

Viel Spannendes gibt es leider über den heutigen Tag nicht zu schreiben, denn wirklich viel mehr, als warten gibt es nicht. Nun ja, ein Highlight sei noch zu erwähnen. Als Abschluss des letzten Tages muss es natürlich sein und so gehen wir noch einmal in die besten Pizzeria Italiens. Sie nennt sich übrigens Pizzeria Colors, nur für alle die zufällig in Mestre nach einer guten Pizza suchen.

Wie immer bisher ist es auch diesmal super lecker. Das ist mal der beste Abschluss, den man sich für so eine Reise vorstellen kann. Wen es interessiert, diesmal gibt es bei mir eine Pizza mit extra viel Schinken, Mozzarella und Artischocken. Außerdem hat Johannes diesmal die Chance genutzt und den Koch bei der Arbeit gefilmt. Dieser wird dabei sichtlich nervös, kein Wunder, wenn er 8 Minuten lang aufgezeichnet wird.

Gestärkt und voller Motivation fahren wir es weiter Richtung Bahnhof Venedig. Wie auch beim letzten Mal ist die Strecke relativ turbulent, da auch heute viele Fahrzeuge unterwegs sind. Der Fahrradweg, der vor drei Tagen noch in Bau war, ist wie erwartet immer noch nicht fertig.

Das heißt also wieder einmal die Fahrräder über die Leitplanke auf die Straße heben und nebenbei aufpassen, dass man nicht von den Autos überfahren wird. Wir haben uns aber noch den Spaß gemacht und den ganzen Vorgang episch gefilmt.

Diesmal haben wir es ganz und gar ohne Zwischenfall auch bis in die Stadt geschafft, zum Glück.

Dort kommt dann endlich das Gefühl auf, was wir so lange herbeigesehnt haben. Die letzten Schritte bis ans Ziel, ein unbeschreiblicher Augenblick. Es ist wie eine tiefe innere Zufriedenheit, die man empfindet. 36 Tage voller Abenteuer und Kampf gehen zu Ende. Es ist irgendwie schon eine kleine Leistung auf die wir zurückblicken können, viele Zwischenfälle und Momente in denen ich teilweise an meine Grenzen gekommen bin. Ich denke ich kann für uns alle sprechen, wenn ich sage, dass diese Fahrt uns als Menschen verändert hat. Man lernt sich selbst dabei von ganz anderen (teilweise sogar gruseligen) Seiten kennen. Eines kann man auf jeden Fall sagen. Wir werden definitiv als andere, erfahrenere Menschen zurückkehren, auch wenn wir nur etwa einen Monat weg waren.

Auf dem Weg zum Bahnhof gibt es allerdings noch eine Kleinigkeit, die ich erwähnen möchte, denn sie hat mich sehr zum Schmunzeln gebracht. Am Straßenrand saß eine junge Frau mit Gitarre und hat musiziert, um ihr Taschengeld aufzubessern. Das ist ja erstmal weniger ungewöhnlich. Das witzige war vielmehr ihr Pappschild daneben mit folgender Aufschrift:

„ I need money to spend it on cigarettes and beer “

Das nenn ich mal direkt und irgendwie hat es mich der alternative Spruch, der wenig dem ähnelt was man sonst auf solchen Pappschildern liest, zum Lachen gebracht. Sie hat meinen Blick gemerkt und wirft mir ebenfalls ein Lachen zu. Sehr sympathisch. Geld habe ich ihr aber nicht gegeben.

Wir finden unseren Bahnsteig relativ schnell und warten noch eine Stunde, bis unser Zug kommt. Dieser fährt übrigens bis München. Der Zug kommt an und sofort strömen die Massen rein. Neben uns sind auch einige andere Radreisende mit dabei, die ebenfalls zurück nach Hause wollen.

Alles klappt problemlos und wir finden sogar in einem Abteil gemeinsam Platz zu dritt. Eigentlich haben wir eine Reservierung, aber, wenn wir nach dieser gehen würden, säßen wir alle in unterschiedlichen Abteilen

Dort verstauen wir unsere Koffer und genehmigen uns den Weißwein, den wir gekauft hatten, wohlgemerkt der billigste im Supermarkt, aber er erfüllt seinen Zweck. Nebenbei schauen wir aus dem Fenster und sehen, wie sich Venedig langsam entfernt.

In nur einigen Stunden, fahren wir jetzt die gesamte Strecke zurück, für die wir einen Monat mit dem Fahrrad gebraucht haben. Schon irgendwie amüsant…

Weniger amüsant ist es, dass so langsam immer mehr Menschen zusteigen und wir uns auseinandersetzen müssen. Jetzt sind wir alle in unterschiedlichen Abteilen.

Mittlerweile sind scheinbar alle Sitzplätze belegt und es steigen immer mehr Leute zu. Irgendwie will der Strom nicht aufhören und es wird schon richtig unbequem. Teilweise liegen die Menschen sogar auf dem Gang. Der Grund für die Überfüllung ist dann aber recht schnell gefunden. Viele Flüchtlinge aus Afrika und Nahost nutzen den Zug, ohne Ticket natürlich um Richtung Norden zu kommen, raus aus Italien, nach Österreich und Deutschland.

Dadurch ist es sehr unruhig und es fällt mir schwer zu schlafen. Wenn es denn klappt, dann schaffe ich es nur für wenige Minuten, die Augen zu schließen. Naja, die Zeit kann ich immerhin zum Schreiben des Reiseberichtes nutzen.

Tag 37 – Auf Umwegen … nach Hause

Dienstag, 11.08.2015 – bis Leipzig Dienstag, 11.08.2015 – bis Leipzig

Es ist mittlerweile schon nach null Uhr und wir haben Italien verlassen. Drei Stunden später erreichen wir dann auch die deutsche Grenze. Dort werden wir erstmalig aufgehalten, weil die deutsche Grenzpolizei die etwa dreißig Flüchtlinge aus unserem Abteil holt. Diese wollen nicht ganz freiwillig aussteigen und so dauert es fast eine Stunde, bis jeder aus dem Zug gezogen wurde.

Vorher habe ich von der Flüchtlingskrise noch nicht so viel mitbekommen, außer natürlich durch Nachrichten und Medien und deshalb, war es schon eine interessante Erfahrung.

Ich hätte aber auch kein Problem darauf zu verzichten, denn durch die Verspätung kann es sein, dass ich meinen Anschlusszug in München nicht mehr bekomme. Sollte die Weiterfahrt ohne Probleme erfolgen, habe ich in München nur noch etwa drei Minuten für den Umstieg in den ICE. Das kann eng werden…

Und es wird auch eng. Bei der Ankunft in München, bin ich gefühlt der erste der mit seinen Fahrradtaschen aus dem Zug stürmt. Ich renne die Gleise entlang und suche schon ziemlich panisch den ICE nach Leipzig. Nein. Verkehrt. Mist. Oh, da ist er ja. Abfahrt in einer Minute.

Ich schaffe es gerade noch so in den Zug, da fährt er auch schon los. Man fragt sich vielleicht, was ich mit meinem Fahrrad gemacht habe. Johannes, übernimmt es netterweise, denn er fährt mit dem Bummelzug nach Leipzig. So haben wir insgesamt etwa 15 € sparen können. In Leipzig, warte ich eine Stunde auf ihn und dann fahren wir von dort aus gemeinsam nach Hause. Das ist jedenfalls der Plan.

Im ICE mache ich es mir mit meinen Fahrradtaschen bequem und dann beginnt die schwierigste Phase. Da ich während der Nacht nicht viel geschlafen habe, überkommt mich so langsam die Müdigkeit. Ich will eigentlich nur schlafen, denn hier im ICE ist es um einiges entspannter als zuvor noch im Nachtzug. Ich weiß aber, dass ich auf keinen Fall die Augen schließen darf, denn ich muss ja in Leipzig aussteigen. Deshalb schreibe ich wieder ein wenig in mein Reisetagebuch und kritzle auf meinem Block, um mich wach zu halten.

Jetzt sind es nur noch etwa zehn Minuten bis Leipzig. Einfach durchalten!

Das nächste was ich sehe, ist das City-Hochhaus von Leipzig. Waren es nicht noch zehn Minuten bis Leipzig? Mist, so wie es aussieht bin ich gerade kurz weggeschlafen, aber kein Problem, ich bin ja rechtzeitig aufgewacht.

Moment, irgendwie wird das City-Hochhaus und der Bahnhof immer kleiner? Wir fahren in die falsche Richtung! Oh nein. Ich ahne schlimmes. Ich schaue mich um und um mich herum sitzen plötzlich ganz andere Leute, als noch zuvor.

So wie es aussieht, bin ich tatsächlich kurz bevor wir Leipzig erreichen eingeschlafen und habe die gesamte Zeit des Zwischenhaltes verpasst. Schon regelrecht panisch stürme ich in die Bordküche nebenan und frage das Bordpersonal, was ich tun kann.

Von ihnen bekomme ich die ernüchternde, aber verständliche Antwort, dass man wegen mir nicht den ganzen Zug anhalten kann. Zusätzlich bin ich noch in einem ICE, was bedeutet, dass wir erst in der nächsten großen Stadt halten.

Ich will die Antwort gar nicht wissen, aber frage trotzdem nach dem nächsten Stopp.

Berlin…

Verdammter Mist! Ich bin total aufgeschmissen. Ich habe mit gerade einmal 25 Cent kaum Geld, geschweige denn eine EC-Karte in meinem Portemonnaie. Mein Handy hat keinen Strom mehr. Außerdem kann ich niemanden kontaktieren, weil ich keine Telefonnummern auswendig kenne.

Ich gehe kurz alle möglichen Optionen durch.

Geld für eine Rückfahrt von irgendjemandem leihen? Das wird sicherlich schwer.

Mit dem Fahrrad zurückfahren? Nein, stopp Johannes hat ja mein Rad.

Andere Leute um Hilfe fragen? Gute Idee, aber erstmal brauche ich ein wenig Strom auf meinem Handy.

Ich gehe also durch das Abteil und frage abwechselnd die Leute, ob sie denn zufällig ein Ladegerät dabeihaben. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Leute ich angesprochen habe, bis mir dann eine nette Dame ausgeholfen hat.

Noch etwa eine Stunde Fahrtzeit habe ich, um mein Handy aufzuladen und alle Leute zu fragen, die ich kenne und ob sie mir helfen könnten. Dazu sei gesagt, dass mein günstiges Handy vom chinesischen Billighersteller des Vertrauens, in etwa so zuverlässig ist, wie ein Wollpulli im Regen.

Relativ schnell bekomme ich dann auch eine Antwort von meinen Eltern. Ich bin echt glücklich, dass ich überhaupt jemanden erreiche. Diese haben sehr schnell eine gute Lösung parat. Sie haben mir kurzerhand einfach ein Fernbus-Ticket von Berlin nach Leipzig besorgt und es mir über das Handy zugeschickt.

Ich bin wirklich beruhigt und froh, dass sie so schnell reagiert haben. Ich hatte kurzzeitig schon Panik, dass ich hier gestrandet bin.

Johannes habe ich auch informiert, und er hat sich netterweise auch um mein Fahrrad gekümmert und es in Connewitz am Bahnhof angeschlossen.

Ich bin mittlerweile 13:30 Uhr in Berlin angekommen und warte dort bei Berlin Südkreuz auf den Fernbus der 15:55 Uhr ankommen soll. Genug Zeit um mein Missgeschick Revue passieren zu lassen. So verzweifelt, wie heute kurzzeitig, war ich in der Tat während der gesamten Tour nicht gewesen.

Dazu sei auch gesagt, dass ich in meinem Leben bisher nur einmal in Berlin war und mich in der Stadt so ziemlich gar nicht auskenne. Das muss ich zum Glück auch nicht, denn der Busbahnhof ist direkt um die Ecke.

Jetzt ist also Warten angesagt.

Nachdem der Bus dann mit einiger Verspätung ankommt, geht es zurück nach Leipzig. Dort erwartet mich direkt meine Mutter am Bahnhof, die gerade von Arbeit zurückkommt.

Es ist wirklich schön meine Familie wieder zu sehen und ich glaube sie freut sich genauso darüber, dass ich wieder heil in Leipzig angekommen bin. Viel Zeit haben wir allerdings nicht, denn ich muss noch mein Fahrrad abholen.

Unsere Wege trennen sich also und ich fahre mit der Straßenbahn zum Bahnhof in Connewitz. Während der Straßenbahnfahrt, bemerke ich schon, wie ich die ganze Zeit aus dem Fenster schaue und nach meinem Fahrrad Ausschau halte. Am Bahnhof dann suche ich weiter. Ich suche und suche und finde es einfach nicht. Komisch, hier irgendwo sollte es ja eigentlich sein?

Ich mache mir natürlich sofort Sorgen, denn Connewitz ist relativ bekannt dafür, dass hier viel geklaut wird. Viele aufgebrochene Fahrradschlösser an den Geländern machen mir das zu Genüge klar.

Johannes ist leider auch nicht erreichbar und so entschließe ich mich dazu, ohne mein Rad zurückzufahren, denn bald würde auch mein 1-Stunden-Ticket ablaufen. Hoffentlich wurde es nicht gestohlen.

Man könnte meinen, bei mir ist heute schon genug schiefgelaufen. Das Schicksal meint es aber nicht so und beschert mir noch eine weitere Herausforderung. In der nächsten Stunde fährt kein Bus zu mir nach Hause, denn ich wohne etwas auf dem Land.

Mir bleibt also nichts Anderes übrig, als die letzten vier Kilometer nach Hause zu laufen. Das wäre im Prinzip nicht schlimm, müsste ich nicht noch drei schwere Fahrradtaschen, eine Isomatte und meinen Schlafsack irgendwie transportieren.

Das ist also das Ende der Reise. Behangen mit meinen Taschen und mittlerweile tatsächlich am Ende der Kräfte, komme ich zu Hause an. Bei mir habe ich nicht nur etwa hundert Fotos und eine Handvoll Tagebucheinträge, sondern vor allem viele wertvolle Erfahrungen.

Ich denke immer wieder gern zurück an die endlosen Hügel von Tschechien, das Kinderfest in Vlkonice, die Nacht unter Sternenhimmel an der Donau, den paradiesischen Sonnenuntergang in Slowenien und alle anderen Momente, die wir während dieser Tour genießen konnten.

erstellt von Martin am 6. August 2016

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